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Biologisches Zentrum

Umweltbildung im Kreis Coesfeld

Natur im Wandel - neue Tiere und Pflanzen vor unserer Haustür 

Warum neue Arten kommen und andere verschwinden - Eine Fotoausstellung des Biologischen Zentrums Kreis Coesfeld e.V. 

Autoren: Ilka und Dr. Rolf Brocksieper (Stand: Frühjahr 2025)

Vorbemerkungen zur neu gestalteten und aktualisierten Ausstellung

Seit der ersten Auflage der Ausstellung vor 11 Jahren hat es eine erstaunliche Entwicklung gegeben, die in diesem Ausmaß nicht zu erwarten war.

Dabei hat sich an der 2014 beschriebenen Situation und deren Ursachen mit Ausnahme der zunehmenden Klimaerwärmung so gut wie nichts verändert. Die steigende Erderwärmung lässt die Ausbreitung weiterer mediterraner Arten nach Mitteleuropa zu. Ein völlig normaler, natürlicher Vorgang, mit dem die Tier- und Pflanzenwelt auf die veränderten Umweltbedingungen reagiert. Diese Entwicklung entzieht sich grundsätzlich einer Bewertung wie „gut“ oder „schlecht“ - die Natur ist dazu glücklicherweise auch mit Hilfe der Evolution in der Lage! Zu den in NRW ganz neuen Arten gehören als Profiteure des Klimawandels z.B. die Gottesanbeterin, der Trauer-Rosenkäfer oder die Südliche Eichenschrecke als Beispiele aus dem Insektenreich.

Die größten Veränderungen gab es in kürzester Zeit in unseren Wäldern. Noch vor 10 Jahren waren die großen Nadelholz-/Fichtenmonokulturen eine große Gefahr für die heimischen Laubholzwälder. Heute sind sie in allen Landesteilen großflächig und weitgehend zusammengebrochen und abgestorben. Die sowieso schon schlecht an unser Klima angepassten Fichtenbestände wurden durch Hitze und Trockenheit weiter geschwächt und so zu leichten Opfern der sich massenhaft vermehrenden und ausbreitenden Borkenkäfer.

Zu den offensichtlich neuen Verlierern der Entwicklung gehören bislang häufige „Allerweltsarten“ unter den Tagfaltern, wie z.B. der Kleine Fuchs. Die Ursachen dafür sind zwar noch nicht nachgewiesen, aber durch ein geeignetes Nahrungsangebot für Raupen und Falter im Garten kann jeder den gefährdeten Arten helfen!

Die Ausbreitung von Wildkatze und Wolf in NRW in den letzten 10 Jahren ist eine Entwicklung, die vor allem den strengen Artenschutzgesetzen mit einem strikten Jagdverbot geschuldet ist.

Zusatzinformationen:

Natürliche Veränderungen gab es immer schon, wie:

  • den Wechsel zwischen Eiszeiten und Warmzeiten – von der kargen, fast vegetationslosen Landschaft vor 10.000 Jahren, bis zum undurchdringlichen germanischen Wald zu Zeiten der Varus-Schlacht vor 2.000 Jahren.
  • die Evolution – der Garant für die Stärke der Natur ist bei jeder Fortpflanzung das permanente „Spiel“ mit den Genen. Damit mutieren Arten, entwickeln neue Eigenschaften und verbessern ggf. ihre Konkurrenzkraft und können sich an wandelnde Umweltbedingungen anpassen. Das Spiel der Gene lässt neue Arten entstehen.

Auch der Mensch hat schon immer direkt oder indirekt in den Ablauf der Natur eingegriffen:

  • durch das Einbringen von Tieren und Pflanzen in Gebiete, in denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Oder die gravierenden Veränderungen in der Landnutzung – vom germanischen Urwald zur völlig ausgemergelten Agrar- und Waldlandschaft am Ende des Mittelalters bzw. zu Beginn des Industriezeitalters. Eine völlig übernutzte Landschaft, die mit ihrer Nährstoffarmut den Lebensraum für viele wärmeliebende oder an Heidelandschaften gebundene Arten erzeugte. Ab Mitte des letzten Jahrhunderts dann die Ära des Kunstdüngers in der Landwirtschaft, mit ihren großen Erfolgen bei der Ernährung der immer weiterwachsenden menschlichen Bevölkerung. Aber auch mit der Folge einer starken Eutrophierung der gesamten Landschaft – zulasten der Arten, die wir mit den ausgemergelten Landschaften zu uns geholt hatten.
  • indirekt durch das Ausrotten von Fressfeinden, wie Wolf, Luchs oder Bär, das wiederum schafft Raum für die Ausbreitung anderer Arten.

Die Ausbreitungswege und –formen sind vielfältig: über die Luft, durch das Wasser, als blinde Passagiere z.B. in Schafwolle, im Ballastwasser von Schiffen, mit Fluggepäck. Eigentlich gibt es dabei nichts, was es nicht gibt.

Und so richtig los ging das Hin- und Her der Arten nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahre 1492 und zwar in alle Richtungen über den Globus. Arten die seit 1492 neu zu uns gebracht / gekommen sind, werden per Definition als Neobiota bezeichnet. Neophyten – die neuen Pflanzen und Neozoen – die neuen Tiere.

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass Mitteleuropa der Neuen Welt einen Großteil der täglichen Grundlebensmittel, wie Kartoffeln, Bohnen oder Tomaten verdankt. Nicht einmal unsere Speiseerdbeeren stammen aus Europa, sie sind das Ergebnis der Kreuzung einer südamerikanischen und einer nordamerikanischen Art. Das Biologisches Zentrum widmet sich seit langem diesem Thema „Neue Welt- und Alte-Welt-Nahrungspflanzen“ mit anschaulichen Beispielen im Lehrgarten. Besucher sind herzlich eingeladen, sich hierüber auf dem Gelände am Rohrkamp 29 in Lüdinghausen zu informieren.

Anders als viele neue Pflanzen- und Tierarten haben diese Nahrungspflanzen die angenehme Eigenschaft, sich nicht zu verselbstständigen und in unsere heimischen Lebensräume zu wandern, sie bleiben „brav“ auf ihren Anbauflächen.

Die Ausstellung zeigt Beispiele für diejenigen Arten, die wir – in der Regel mit guten Absichten - zu uns geholt haben, die uns dann aber „davongelaufen“ sind und die vielfach nicht mehr kontrollierbar und zurückzudrängen sind.

Viele dieser Neubürger unter den Tier- und Pflanzenarten haben dort, wo sie eingebracht wurden keine natürlichen Feinde und können sich daher ungehemmt entwickeln und vermehren. Das kann dann z.T. gravierende Folgen haben, auch auf anderen Kontinenten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die unglaubliche Kaninchenplage in Australien – Abermillionen Kaninchen „überschwemmen“ das Land und richten Milliardenschäden in der Landwirtschaft an.

In Nordrhein-Westfalen gibt es heute gut 200 fest etablierte Pflanzenarten und etwa gleich viele bekannte Tierarten, die als neu bezeichnet werden - Tendenz zunehmend, auch bedingt durch den Klimawandel. Ein Beispiel aus dem letzten Jahr: Die gefürchtete, für Honigbienen und den Insektenreichtum hoch gefährliche Asiatische Hornisse, hat sich neu in NRW und auch im Kreis Coesfeld angesiedelt.

Natur im Wandel ist ein sehr spannendes und vielfältiges Thema, mit vielen überraschenden Erkenntnissen. Es bietet Stoff für ganze Seminare, Studiengänge oder wissenschaftliche Arbeiten und beschäftigt heute Scharen von Wissenschaftlern, die die Entwicklungen beobachten und analysieren, wie die Folgen beherrscht werden können.

Die Ausstellung will um Verständnis dafür werben, dass wir nicht unbedacht und leichtfertig mit nicht heimischen Arten umgehen sollten. Aber sie will auch Ängste nehmen vor den Neuen, die wir (noch) nicht kennen und für einen realistischen Umgang mit Neophyten und Neozoen werben. Wir müssen lernen, mit ihnen zu leben, denn wir werden sie nicht wieder los. Das was uns heute neu ist, wird schon für die nächste Generation wie selbstverständlich dazu gehören – sie wird die Landschaft nicht ohne sie kennen.