Natur im Wandel - neue Tiere und Pflanzen vor unserer Haustür
Warum neue Arten kommen und andere verschwinden - Eine Fotoausstellung des Biologischen Zentrums Kreis Coesfeld e.V.
Autor: Dr. Rolf Brocksieper (Stand: Oktober 2014)
Die Ausstellung will vor allem mit schönen Bildern und sachlichen Informationen vermitteln,
dass die Natur keinen Stillstand kennt und dass die permanente Veränderung die Regel ist.
Es wird gezeigt, wie vielfältig die Entwicklungen sind, die teilweise im Verborgenen ablaufen,
in anderen Fällen aber ganz offensichtlich sind.
Alle Fotos sind mit verständlichen Erläuterungstexten versehen, zusätzlich sind
Sachinformationen stichwortartig in übersichtlichen Tabellen zusammengefasst.
Der Blick auf die Ursachen der Veränderungen in der Natur zeigt, dass es neben natürlichen
Prozessen ganz wesentlich auch der Mensch ist, durch dessen Aktivitäten Tiere und Pflanzen
in Gebiete eingebracht werden, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Oft stellen
sich in der Folge große, nicht vorhergesehene Probleme ein und die Geister, die man rief,
wird man nicht mehr los.
Für diese Veränderungen gibt es viele Gründe:
- natürliche, wie
- den Wechsel zwischen Eiszeiten und Warmzeiten – von der kargen, fast
vegetationslosen Landschaft vor 10.000 Jahren, bis zum undurchdringlichen
germanischen Wald zu Zeiten der Varus-Schlacht vor 2.000 Jahren.
- die Evolution – der Garant für die Stärke der Natur ist bei jeder Fortpflanzung
das permanente „Spiel“ mit den Genen. Damit mutieren Arten, entwickeln
neue Eigenschaften und verbessern ggf. ihre Konkurrenzkraft und können sich
an wandelnde Umweltbedingungen anpassen. Das Spiel der Gene lässt neue
Arten entstehen.
- vom Menschen
- direkt verursachte – wie das Einbringen von Tieren und Pflanzen in Gebiete, in
denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Oder die gravierenden
Veränderungen in der Landnutzung – vom germanischen Urwald zur völlig
ausgemergelten Agrar- und Waldlandschaft am Ende des Mittelalters bzw. zu
Beginn des Industriezeitalters. Eine völlig übernutzte Landschaft, die mit ihrer
Nährstoffarmut den Lebensraum für viele wärmeliebende oder an
Heidelandschaften gebundene Arten erzeugte. Ab Mitte des letzten
Jahrhunderts dann die Ära des Kunstdüngers in der Landwirtschaft, mit ihren
großen Erfolgen bei der Ernährung der immer weiter wachsenden
menschlichen Bevölkerung. Aber auch mit der Folge einer starken
Eutrophierung der gesamten Landschaft – zulasten der Arten, die wir mit den
ausgemergelten Landschaften zu uns geholt hatten.
- indirekt verursachte – wie das Ausrotten von Fressfeinden, wie Wolf, Luchs
oder Bär - schafft Raum für die Ausbreitung anderer Arten
Beispiele vor unserer Haustüre zeigen, um welche Arten es sich dabei handelt, dass es sich
bei diesem Wandel auch um einen Teil von Globalisierung handelt, die aber schon in der
Steinzeit begann und erste Höhepunkte schon zur Zeit der Römer und Wikinger erreichte.
Auch waren und sind die Ausbreitungswege und –formen vielfältig: über die Luft, durch das
Wasser, als blinde Passagiere z.B. in Schafwolle, im Ballastwasser von Schiffen, mit
Fluggepäck. Eigentlich gibt es dabei nichts, was es nicht gibt.
Und so richtig los ging das Hin-und Her der Arten nach der Entdeckung Amerikas durch
Kolumbus im Jahre 1492 und zwar in alle Richtungen über den Globus.
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass Mitteleuropa der Neuen Welt einen
Großteil der täglichen Grundlebensmittel, wie Kartoffeln, Bohnen oder Tomaten verdankt.
Nicht einmal unsere Speiseerdbeeren stammen aus Europa, sie sind das Ergebnis der
Kreuzung einer südamerikanischen und einer nordamerikanischen Art. Das Biologisches
Zentrum widmet sich seit langem diesem Thema „Neue Welt- und Alte-Welt-
Nahrungspflanzen“ mit anschaulichen Beispielen im Lehrgarten. Besucher sind herzlich
eingeladen, sich hierüber auf dem Gelände am Rohrkamp 29 in Lüdinghausen zu
informieren.
Anders als viele neue Pflanzen- und Tierarten haben diese Nahrungspflanzen die angenehme
Eigenschaft, sich nicht zu verselbstständigen und in unsere heimischen Lebensräume
wandern, sie bleiben „brav“ auf ihren Anbauflächen.
Die Ausstellung zeigt Beispiele für diejenigen Arten, die wir – in der Regel mit guten
Absichten - zu uns geholt haben, die uns dann aber „davon gelaufen“ sind und die vielfach
nicht mehr kontrollierbar und zurückzudrängen sind.
Viele dieser Neubürger unter den Tier- und Pflanzenarten besitzen dort, wo sie eingebracht
wurden keine natürlichen Feinde und können sich daher ungehemmt entwickeln und
vermehren. Das kann dann z.T. gravierende Folgen haben, auch auf anderen Kontinenten.
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die unglaubliche Kaninchenplage in Australien – über 400
Millionen Kaninchen „überschwemmen“ das Land und richten Milliardenschäden in der
Landwirtschaft an.
In Nordrhein-Westfalen gibt es heute gut 200 Pflanzenarten und etwa gleich viele bekannte
Tierarten, die als neu bezeichnet werden – per Definition sind dies alle, die nach der
Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492 zu uns gekommen sind.
Natur im Wandel ist ein sehr spannendes und vielfältiges Thema, mit vielen überraschenden
Erkenntnissen. Es bietet Stoff für ganze Seminare, Studiengänge oder wissenschaftliche
Arbeiten und beschäftigt heute Scharen von Wissenschaftlern, die die Entwicklungen
beobachten und analysieren, wie die Folgen beherrscht werden können.
Die Ausstellung will um Verständnis dafür werben, dass wir nicht unbedacht und leichtfertig
mit nicht heimischen Arten umgehen sollten. Aber sie will auch Ängste nehmen vor den
Neuen, die wir (noch) nicht kennen und für einen realistischen Umgang mit Neophyten und
Neozoen werben. Wir müssen lernen, mit ihnen zu leben, denn wir werden sie nicht wieder
los. Das was uns heute neu ist, wird schon für die nächste Generation wie selbstverständlich
dazu gehören – sie wird die Landschaft nicht ohne sie kennen.
Konkrete Beispiele
- Beispiel Spanische Wegschnecke*: Sie sieht der heimischen Roten Wegschnecke sehr
ähnlich, besitzt aber Eigenschaften, die jeder Hobbygärtner und Landwirt zu Recht
fürchtet. Nach Mitteleuropa eingeführt wurde sie erst gegen Ende des letzten
Jahrhunderts, wahrscheinlich mit Blumen- und Gemüsetransporten. Binnen kurzer
Zeit hat sie sich zur häufigsten Schnecke ganz Europas entwickelt. Ihr Hunger ist
geradezu unstillbar und ihre Anzahl ist schlicht immens. Vermutlich wird uns kein
Mittel, uns von ihr je wieder von ihr befreien.
- Beispiel Asiatischer oder Chinesischer Marienkäfer: er wurde zur biologischen
Schädlingsbekämpfung eingeführt. Frei lebend wurde er in Europa erstmals 2001
nachgewiesen, heute ist er in vielen Regionen eine regelrechte Landplage in Haus
und Garten, mit Schäden insbesondere im Weinbau.
- Beispiel Buchsbaumzünsler: in Europa erst 2006, vermutlich durch internationalen
Baumschulhandel eingeschleppt. Schon heute bedroht er die Buchsbaumbestände in
ganz Deutschland und Europa. Seine Raupen fressen nicht nur die Blätter sondern
auch die Rinde der Pflanzen und bringen sie so zum Absterben. Ein Ende dieser Plage
ist wohl erst dann in Sicht, wenn der Falter keine Buchbäume mehr findet – auch das
ist eine Lösung der Natur!
- Beispiel Herkulesstaude: Eine zugegeben ansehnliche und stattliche Pflanze, die wir
zunächst aus dem Kaukasus in unsere botanischen Gärten holten, dann folgte der
Weg in die privaten Gärten und von dort in die freie Landschaft. Dort besiedelt sie in
dichten Beständen vor allem die Ufer der Fließgewässer und verdrängt dort die
heimischen Arten.
Für den Menschen ist die Herkulesstaude zudem sehr unangenehm: Berührungen der
Haut mit der Pflanze bei Sonnenlicht führen zu erheblichen Verbrennungen. Die
Herkulesstaude sollte daher in keinem Fall weiter verbreitet werden! Die
Naturförderstation des Kreises hat ein Infofaltblatt zum Thema der Eindämmung
herausgegeben, dass dort, beim Biologischen Zentrum und in der Ausstellung
kostenlos ausliegt.
- Beispiel Beifuß-Ambrosie: vermutlich mit verunreinigten Vogelfuttermischungen aus
N-Amerika eingeschleppt. Jahrelang war das kein Problem, weil die Früchte nicht zur
Reife kamen und sich die Pflanze sich nicht weiter verbreitete. Wahrscheinlich durch
genetische Veränderungen bedingt, hat sich das in den letzten Jahren verändert.
Das Problem dabei ist, dass die Pollen der Pflanzen zu den Stoffen gehören, die
besonders stark Allergien auslösen und zu Asthma führen können. Deshalb wird
versucht, ihre weitere Ausbreitung zu verhindern. Vorkommen sollten unbedingt der
Unteren Landschaftsbehörde und dem Landesumweltamt in Recklinghausen
gemeldet werden, weil sie vernichtet werden müssen. Informationen über den
Umgang und die Vernichtung von Vorkommen erhalten bei den genannten Stellen
und in der Ausstellung. Ob die Bekämpfung erfolgreich sein wird, ist leider sehr
ungewiss.
- Die Ausstellung zeigt auch Beispiele für Arten, deren Erscheinen wir als positiv
empfinden und von denen offensichtlich keine negativen Auswirkungen ausgehen –
wie Feuerlibelle, Wespenspinne oder Pyrenäen-Storchschnabel.
- Ebenso werden Beispiele gezeigt für Arten, die zu den „Verlierern“ gehören. Arten
also, die aus der Landschaft verschwinden, weil ihre Lebensräume vernichtet werden.
Z.B. die Arten der feuchten und mageren Wiesen. In Fachkreisen wird dies aus
aktuellem Grund gerade bei Kiebitz und Feldlerche diskutiert.
- Erfreulicherweise werden aber auch Arten gezeigt, die in der Vergangenheit schon
nahezu oder ganz ausgerottet waren und die dank der Bemühungen des
Naturschutzes wieder den Weg zu uns gefunden haben. Bei einigen, wie Uhu,
Kolkrabe oder Graureiher hat das ganzjährige Jagdverbot geholfen, sie wieder
heimisch zu machen.
- Die Ausstellung zeigt auch Beispiele dafür, dass es viele Arten gibt, die wir seit
unserer Kindheit kennen und darum meinen, sie seien immer schon heimisch,- wie
Girlitz und Türkentaube. Doch auch diese sind erst in den letzten Jahrzehnten bei
uns eingewandert. Auch Hausrotschwanz und Mauersegler verbinden wir nicht mit
einer nicht heimischen Herkunft, aber ihre eigentliche Herkunft sind die
Felslebensräume der Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze. Erst mit unseren
steinernen Städten haben wir die geeigneten Steinlebensräumen geschaffen, die
beide Arten zu uns geführt haben.
- Viele Einwanderungen in der Pflanzen- und Tierwelt sind offensichtlich, wie bei
Kanada- und Nilgans, andere geschehen fast unbemerkt. Das kann man für den
Ravenna-Weberknecht, ein kleines Spinnentier, mit Fug und Recht sagen. Aber auch
die gravierenden Veränderungen in unseren Gewässern nehmen wir nicht wahr –
man sieht sie einfach nicht.